Travel Notes #8: Bosnien und Herzegowina – Tuzla und Sarajevo

Mit etwa 15 Minuten Verspätung landen wir in Tuzla in Bosnien und Herzegowina. Der Flughafen ist der kleinste, den ich bisher in meinem „Reiseleben“ gesehen habe. Mit zwei Airbus-Maschinen des Typ A320 ist er ausgelastet. Bei der Passkontrolle holen wir uns den ersten Stempel in unsere Reisepässe bevor es zur Gepäckausgabe und anschließend nach draußen geht. Netterweise holt uns unser Gastgeber mit seinem Wagen vom Airport ab, denn eine Busverbindung vom Flughafen in die Stadt gibt es nicht. Genauso wenig wie Gurte zum Anschnallen auf den Rücksitzen.

Wir fahren die 15 Kilometer durch kleine Dörfer und schöne Landschaften. In der Stadt angekommen, lässt es sich unser Host nicht nehmen, uns schonmal die wichtigsten Spots der Stadt zu zeigen, bevor es in die Unterkunft geht. Das ist auch gut so, denn mehr als ein paar Fotos im Internet habe ich vorher nicht gesehen. In der Unterkunft müssen wir noch ein Formular ausfüllen, um uns in Bosnien und Herzegowina zu registrieren. Das muss jeder EU-Bürger bei Einreise machen. In der Regel übernehmen das die Hotels oder die Gastgeber, wie auch in unserem Fall.

Tuzla

Der Marktplatz von Tuzla am Abend.

Tuzla ist eine Industrie-Stadt mit einer schönen kleinen Innenstadt, in der es hauptsächlich Cafés und Restaurants gibt. Ein Gebäude erinnert an den Krieg, der hier von 1992-1995 herrschte. 71 junge Menschen verloren bei einem Angriff auf die Stadt an der Gedenkstätte ihr Leben. Schon ein beklemmendes Gefühl.

Gedenkstätte an das Massaker von Tuzla, das am 25. Mai 1995 71 jungen Menschen das Leben gekostet hat.

In den meisten Geschäften kannst du auch hier mit Karte zahlen, auf Märkten und in einigen Restaurants allerdings nicht. Wir suchen nach einer Wechselstube, wo wir Bosnische konvertierte Mark bekommen. In der Innenstadt gibt es 2-3 solcher Läden, die den ganzen Tag geöffnet haben, aber natürlich nicht, wenn wir Geld wechseln möchten. Erst nach einigem Hin und Her bekommen wir unser Geld zu einem guten Kurs gewechselt.

Direkt danach gehen wir in einen Laden, der uns empfohlen wurde, um bosnisches Burek (Börek) zu probieren. Die Bestellung ist aufgegeben und die Dame hinter dem Tresen sagt: „Two Euro“. Da hätten wir uns das Theater im Vorfeld auch sparen können. Aus Prinzip zahlen wir mit der bosnischen Mark.

Burek, gefüllt mit Kartoffeln, Fleisch, Käse oder Spinat.

Mit gut gefüllten Mägen gehen wir zu Fuß zur Busstation, um zu sehen, wie lange wir in etwa für die Strecke von unserer Unterkunft aus brauchen. Am nächsten Tag geht es von dort weiter nach Sarajevo. Wir könnten auch einfach den Bus nehmen, allerdings ist hier kaum zu ermitteln, wann einer fährt, oder in welche Richtung er fährt. Aushangfahrpläne oder Namen an den Haltestellen – Fehlanzeige. Die Suche nach Fahrplänen oder einer App im Internet führen auch ins Leere. Scheinbar wissen nur die Locals, wann hier etwas fährt. Mich auf Verdacht an eine Haltestelle zu stellen und zu warten, ohne zu wissen, wo ich überhaupt ankomme, ist mir dann auch zu blöde.

Zug fahren ist in Tuzla keine Option. Die Strecke wird zumindest im Moment nicht mehr befahren.

Tuzla mag auf den Bildern nicht den schönsten Eindruck erwecken. Das liegt daran, dass Vieles etwas heruntergekommen ist, da kaum Geld für Renovierungen und Reparaturen vorhanden ist. Trotzdem mochten wir die Stadt, die von vielen wahrscheinlich nur zur Durchreise genutzt wird. Vielleicht gerade, weil hier so gut wie keine Touristen unterwegs sind.

Wenn der Mechaniker in den Maschinenraum muss

Wir sind überpünktlich an der Busstation angekommen. Im Internet haben wir gelesen, dass die Fahrt nicht ohne sein soll. Irgendwie habe ich das immer wieder im Hinterkopf. Aber erstmal einsteigen. Das Ticket kostet pro Person knapp 14€. Für unsere Rucksäcke knüpft der mürrische Busfahrer uns nochmal 4 Mark ab. Das Wechselgeld will er scheinbar am liebsten gar nicht rausgeben. Er wühlt ewig in seiner Hosentasche herum, bis er endlich 1 Mark gefunden hat.

Der Bus hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Die Sitze sind teilweise ordentlich durchgesessen. Die Aschenbecher sind zugeschraubt und von Sachen wie WLAN oder sonstigem Komfort brauche ich gar nicht erst anzufangen. Ich möchte mich zur Sicherheit lieber anschnallen. Aber Gurte gibt es auch in diesem Fahrzeug nicht. Doch es kommt noch besser. Der Bus springt nicht an. Kurze Zeit später taucht ein Mechaniker auf, der im Bus auf und ab rennt. Er holt eine Art Brechstange oder Schraubschlüssel und verschwindet im hinteren Teil des Busses im Motorenraum.

Vertrauenserweckend ist das nicht.

Er bekommt den Motor tatsächlich zum Laufen und wir können starten – oder auch nicht. Es stehen noch Leute im Gang, obwohl noch vereinzelt Sitzplätze frei sind. Der Fahrer fackelt nicht lange, geht durch die Sitzreihen und fängt an, die Fahrgäste neu zu verteilen, um so mehr Platz zu schaffen. 

An manchen Stellen würden wir am liebsten einfach aussteigen und Fotos machen.

Die Fahrt geht über zahllose Dörfer. Menschen steigen aus, andere Menschen steigen ein. Ein paar Leute müssen während der Fahrt immer stehen, da der Bus scheinbar einfach überbucht wird. Melina macht zwischenzeitlich Platz für eine ältere Dame, die sich im Gang kaum halten kann. Weiter geht es über Serpentinenstraßen, bis wir nach knapp 3,5 Stunden die gerade mal 78 Kilometer geschafft haben. 

Sarajevo

In Sarajevo müssen wir uns erst einmal orientieren. Wenn du glaubst, dass in einer Großstadt der ÖPNV besser geregelt ist als in Tuzla, irrst du dich. Hier ist es noch bekloppter. Es gibt nämlich ein staatliches und ein privates Unternehmen. Am einfachsten lassen sich die Unternehmen daran unterscheiden, dass die staatlichen Bahnen und Busse zumeist abgeranzt und heruntergekommen aussehen.

Mit der Bahn kommen wir nicht weit.

Ein paar nette ältere Herren verraten uns, mit welchem Bus wir ans Ziel kommen würden. An der Zielhaltestelle angekommen glauben wir, in Istanbul angekommen zu sein. Wir stehen mitten in der Altstadt von Sarajevo, die sehr muslimisch geprägt ist. Leider haben wir die verdammten Backpacks dabei, ansonsten würde ich mich direkt ins Getümmel stürzen. Unser Weg führt aber erstmal zur Unterkunft von Mehmet, die, wie sollte es auch anders sein, auf einem Berg liegt. Wir quälen uns wieder einmal steile Gassen hoch und suchen vergeblich nach dem Haus, das für eine Woche unser Heim werden soll. Hätten wir vorher gewusst, was uns erwartet, hätte ich die Unterkunft am liebsten nie gefunden.

Die Unterkunft des Grauens

Im Haus angekommen, wähle ich mich ins WLAN ein und kontaktiere den Gastgeber, um ihm mitzuteilen, dass wir jetzt da sind. Er antwortet direkt und sagt, dass wir uns eines der Zimmer, in denen die Schlüssel stecken, aussuchen können. Jedes der 4 Zimmer stinkt bestialisch nach Abfluss. In einem wurde nicht einmal aufgeräumt. Dort steht ein voller Aschenbecher, eine Dose Energy und ein Glas gefüllt mit etwas, das aussieht wie Whiskey.

Zimmer D riecht noch am wenigsten nach Exkrementen. Erst später merken wir, dass sich die Toilettentür nicht schließen lässt, weil sie verzogen ist und unten auf dem Boden schleift. Außerdem bildet sich schon nach kurzer Zeit eine Pfütze unter der Toilette – lecker. Wie man hier seine morgendliche Sitzung verbringen soll, ohne seine Mitmenschen aromatisch zu belästigen, ist mir ein Rätsel. Genauso rätseln wir, wie diese Unterkunft durchweg so gut bewertet wurde. Naja, irgendwie wird es schon gehen, denken wir uns.

Der nächste Morgen wird allerdings noch besser. Die in der Anzeige beworbene Küche ist quasi nicht nutzbar. Die Herdplatten sind verkrustet, das gesamte Geschirr dreckig, im Mülleimer verschimmeln Essensreste und der Wasserkocher ist auch defekt. Kein Kaffee also. Ich muss hier raus und Melina muss ich auch nicht groß überreden, dass wir hier nicht länger bleiben.

Der Schwamm – widerlich.
Der Herd – widerlich. Hier würde ich nicht mal mehr Wasser kochen.

Wir schreiben Mehmet einen längeren Text und teilen ihm mit, dass wir unseren Aufenthalt stornieren möchten. Noch eine Nacht in dem Gestank ertragen wir nicht. Ohne großes Theater geht der Gastgeber auf unsere Bitte ein und wir bekommen den Betrag für die restlichen Nächte erstattet.

Auf den Schock brauche ich erstmal einen starken bosnischen Kaffee.
Eine Gasse in der Altstadt.

In einem Café in der Altstadt Baščaršija genießen wir einen Milchshake und einen bosnischen Kaffee und suchen nach einer neuen Bleibe, die Luftlinie nur 450 Meter von der alten entfernt ist. Wir holen unsere Sachen aus der alten Unterkunft und ziehen um in die Neue. Die liegt auf der anderen Flussseite und noch eine Ecke höher, als die alte. Es geht nur Bergauf und wir schwitzen uns bei der Mittagshitze fast zu Tode. Trotzdem sind wir mehr als glücklich, dass wir die Reißleine gezogen und die Unterkunft gewechselt haben.

Im Gegensatz zur vorherigen Unterkunft erweist sich das im ältesten Teil Sarajevos liegende Haus als wahrer Glücksgriff. Ein großes Zimmer mit eigenem Kühlschrank, funktionierendem Wasserkocher, bequemen Betten und tollen Gastgebern. Hier würde ich sofort wieder einziehen, sollte ich in Zukunft noch einmal nach Sarajevo zurückkehren.

Cevapi: Quasi das inoffizielle Nationalgericht in Bosnien.
Die Bahnen in Sarajevo haben die besten Zeiten hinter sich. Aber sie funktionieren noch.
Ein Handwerker in der Altstadt bei der Arbeit.
Street Porträt eines alten Mannes in Baščaršija.

Die Tage in der Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas verbringen wir überwiegend in der Altstadt, besuchen verschiedene Märkte und genießen die Abende auf der gelben Bastion, einer alten Festung, von der man einen fantastischen Überblick über die Stadt hat und die nur ein paar Minuten zu Fuß von unserer Unterkunft entfernt ist.

Eigentlich wollen wir von Sarajevo auch den einen oder anderen Ausflug in die Umgebung machen. Leider ist es in Bosnien und Herzegowina nicht so leicht herauszubekommen, ob andere Orte mit Öffis erreichbar sind und so bleiben wir die Tage in der Stadt bis es weiter nach Mostar geht. Am letzen Abend gibt es selbstgebackenen Kuchen von unserer Gastgeberin Senada, was uns den Abschied aus Vratnik nicht leichter macht.

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