Titelfoto: Mostar, Bosnien und Herzegowina
Ein Jahr, 365 Tage – so lange sind wir bereits auf Reisen. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht. Anfangs haben wir grob ein Jahr für unsere Reise angesetzt, doch schnell steht für uns fest, dabei wird es wohl nicht bleiben. Es gibt einfach zu viele tolle Orte auf der Welt und an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken. So lange wir können, möchten wir unsere Chance nutzen, unseren Traum weiter zu leben.
Zu allererst das Wichtigste – wir haben keinen einzigen Tag unserer Reise bereut und würden die Entscheidung heute immer wieder so treffen. Auch wenn viel Mut dazu gehört und man viele Menschen, die einem lieb sind, zurücklassen muss. Ein gewohntes und „sicheres“ Umfeld im Job und bei der Wohnsituation aufgeben und quasi bei Null starten. Jeden Tag neue Herausforderungen meistern, sich immer wieder auf neue Umstände einstellen und ständig organisieren, wie, wann und wohin als nächstes. Reisen ist halt kein Urlaub, aber es ist toll.
Behörden
6 Monate vor der Reise und auch noch die ersten 4 Monate während der Reise haben wir noch mehrfach wöchentlich mit deutschen Behörden etc. mailen und telefonieren müssen und bis heute sind viele Dinge unklar und werden uns bei Rückkehr wieder einholen. Die deutschen Systeme sind einfach nicht auf „Leute brechen aus dem gewöhnlichen System aus und machen etwas eher Ungewöhnliches“ ausgelegt. Bürokratie hin oder her, selbst eindeutig belegbare Fakten wurden abgeschmettert und Nachfragen sind häufig im Sande verlaufen. Das hat uns wirklich viel Zeit und Nerven gekostet.
Trotzdem ist natürlich nicht alles in Deutschland schlecht und kompliziert. Wo in der Welt kann man schon jederzeit kostenlos zum Arzt gehen, hat ein super Versorgungssystem und ist auch durch das Sozialsystem abgesichert. Wie und wie es eben nicht funktioniert, ist ein Thema für sich. Auch eine größtenteils 5 Tage Woche ist ein absoluter Luxus. Natürlich gibt es auch Länder, die über eine 4 Tage Woche verfügen und dennoch muss man sich vor Augen führen, dass die Leute in vielen Ländern 6-7 Tage arbeiten, ohne Urlaubsanspruch und ohne sich irgendetwas Besonderes leisten zu können. Einfach nur, um zu überleben. Dabei reden wir nicht von nur durchschnittlich 8 Arbeitsstunden am Tag. Und trotzdem werden auch wir vermutlich immer etwas meckern und uns weniger Arbeitsstunden für mehr Geld oder zumindest ein finanziell sorgenfreies Leben wünschen, ist doch klar.
Freiheit
Was wir besonders zu schätzen wissen, ist die Freiheit beim Reisen. Auch wenn sie manchmal durch gewisse Umstände etwas eingeschränkt wird, können wir so gut wie immer entscheiden, wann wir wohin gehen und was wir machen möchten. Dabei sind wir uns zu 99% immer sehr schnell einig und teilen die gleichen Ansichten, was das gemeinsame Reisen noch viel einfacher und angenehmer macht. Auch die anfängliche Befürchtung, dass 24 Stunden auf engstem Raum zusammen in außergewöhnlichen Situationen zu Problemen führen können, hat sich bei uns persönlich nicht bestätigt. Zum Glück!

Mittlerweile sind wir im 21. Land unserer Reise. Die Umstiege in Abu Dhabi zählen wir natürlich nicht mit, denn dort haben wir außer dem Flughafen nichts gesehen. Wir haben schon etliche Klima- und Zeitzonen erlebt und manche Länder ähneln sich in gewisser Weise und dennoch ist jedes Land, jede Region anders. Andere Gewohnheiten, andere Sitten, andere Kulturen.
Viele Situationen zu den Ländern sind bekannt aus den Medien, Büchern und Reportagen, allerdings sind persönliche Erfahrungen und Eindrücke durch nichts zu ersetzen. Selbst noch so gute Fotos oder Videos können kaum vermitteln, wie es vor Ort wirklich ist, wie wir uns gefühlt haben und was das Gesehene und Erlebte mit uns macht. Manche Vorurteile bestätigen sich während unserer Reise, viele aber auch nicht.
Tourismus
Nach wie vor ist es für uns oft schwer zu verstehen, wie Menschen, speziell andere Touristen, zum Teil ticken. In Unterkünften haben wir häufig erlebt, dass scheinbar schon ein „Guten Morgen“ auf dem Flur oder im Frühstücksraum zu viel verlangt ist. Wir müssen ja keinen Smalltalk halten, aber zumindest ein „Hallo“, wenn man den Raum betritt, sollte drin sein.

Viel mehr haben wir uns allerdings an Touristen gestört, die Einheimischen oder deren heiligen Stätten nicht mit dem nötigen Respekt begegneten. Gerade an Fotohotspots verlieren viele Touristen alle Hemmungen und pressen und drängeln sich ohne Rücksicht auf Verluste für das Insta-Foto auf engsten Raum zusammen. Ob dabei die Natur oder heilige Orte geschändet werden oder sogar Personen zu Schaden kommen, interessiert viele dabei nicht. Nach vielen Begegnungen können wir nachvollziehen, warum Touristen Fluch und Segen für die Einheimischen sind. Da kann sich auch wohl keine Nation der Welt herausnehmen. Wir haben uns wirklich oft für die Deutschen geschämt und so manches mal das Gefühl gehabt, wir müssen es jetzt für die anderen ausbaden.

Trotzdem ist der Tourismus für viele Regionen und die Menschen die dort leben elementar. In einigen Ländern hängen die Existenzen ganzer Familien vom Geld der Reisenden ab. Sei es der Tuk Tuk Fahrer, der dich einen ganzen Tag durch die Tempelanlagen von Ankor fährt, der Guide der dir seine Stadt zeigt oder die Frauen, die an Ständen Essen und Trinken oder Souvenirs verkaufen. Sie alle sind auf uns Touristen angewiesen und solange wir den Menschen mit dem nötigen Respekt begegnen, sind wir sicherlich gern gesehene Gäste.
Wir sind mit Sicherheit nicht die Vorzeigetouristen, versuchen aber trotzdem uns so gut wie möglich zu benehmen und die Gepflogenheiten des jeweiligen Landes zu wahren. Wir haben natürlich auch Touristen kennen gelernt, die ähnlich wie wir ticken und hatten tolle Gespräche mit ihnen.
Auszeiten
Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, irgendwann auf den Philippinen zu landen und dort ein bisschen auszuspannen. Es hat tatsächlich geklappt und diese 4 Wochen Auszeit ohne zu viele Ortswechsel fühlten sich wirklich wie ein Urlaub auf Reisen an, bei dem wir unsere Akkus wieder laden konnten. Im Prinzip haben wir aktuell die gleiche Situation mit dem Unterschied, dass wir uns Urlaub aktuell nicht wirklich gönnen wollen aus Angst, uns würde die Zeit wegrennen für das, was wir noch alles geplant haben.

Mittlerweile hat sich unser Reisestil etwas verändert. Während man am Anfang noch gefühlt alle Sehenswürdigkeiten und Aktionen mitnehmen wollte, wenn man schon einmal da ist, möchten wir inzwischen auch einfach mal einen Tag nur 2 Stunden rausgehen. Es fällt uns nach wie vor schwer, länger an einem Ort zu verweilen. Wir haben immer das Gefühl, irgendetwas passt nicht. Seien es die Lage, die Umgebung oder letztendlich auch die Preise für die Unterkünfte. Wir sehnen uns etwas nach einem Alltag, auch mal „ohne schlechtes Gewissen“ im Zimmer/in der Wohnung bleiben und abhängen.
Wir reisen schon etwas langsamer, planen mehr Tage an einem Ort als zu Beginn und trotzdem haben wir immer noch diesen „innerlichen Antrieb“, möglichst viel von einem Land und einer Kultur kennenzulernen. Ein Zwiespalt, der uns selbst immer wieder im Wege steht und fordert. Reisen ist schön, aber es ist auch anstrengend.

In der Zeit, in welcher die erlebten Dinge eigentlich sacken und verarbeitet werden sollen, nimmt man schon wieder 100 andere, neue Eindrücke auf und läuft Gefahr, die Situationen nicht mehr ganz so sehr genießen zu können. Deswegen ist es wichtig, sich immer wieder Ruhezeiten einzuschieben und wenn es nur Mal 3 Tage sind, das hilft auch schon zumindest ein bisschen.
Ansprüche
Schon vor der Reise waren wir nicht besonders anspruchsvoll, brauchten nicht das Neuste vom Neuen und trotzdem haben wir auf Reisen gelernt, dass man auch ganz entspannt mit viel weniger Dingen und Geld klar kommen kann. Man muss seine eigenen Ansprüche manchmal etwas runterschrauben und gleichzeitig nicht auf allzu viel verzichten. Eine gesunde Mischung und dennoch ziemlich minimalistisch. Wir hoffen, dass wir diese Einstellung beibehalten können, wenn wir bei Rückkehr von unserem „restlichen“ Hab und Gut und dem suggerierten Konsumzwang erschlagen werden. Denn ob man es glaubt oder nicht, selbst in unseren Rucksäcken haben wir noch zu viel dabei.
Im ersten Jahr auf Reisen mussten wir auch feststellen, dass wir Menschen diejenigen sind, die zu einem Großteil für Probleme in Gesellschaften/Ländern und auch in der Natur verantwortlich sind. Häufig reicht es aus, wenn einzelne Personen mit viel Macht durchdrehen, um anderen Menschen und der Welt zu schaden. Es ist eine sehr traurige Realität. Es gibt leider viel zu viel Protzerei, übermäßigen Wohlstand und gleichzeitig Armut, Leid und Perspektivlosigkeit. Wir versuchen auf unserer Reise immer ein wenig zu unterstützen, essen auf den Straßen, in lokalen Läden, kaufen auf Märkten ein, wohnen in Familienbetrieben, bemühen uns, die Einheimischen zu supporten. Oft ist es aber nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein.
Gelassenheit
Während der Reise haben wir gelernt etwas ruhiger zu sein und die Dinge ein wenig gelassener zu sehen. Manchmal. Ebenso haben wir gelernt von dem totalen Durchorganisieren und Planen umzuschalten auf Spontanität bis zum ganz Extremen, als wir um 17:00 Uhr nicht wussten, wo wir die Nacht verbringen und wir völlig entspannt bei der Situation waren. Bislang haben wir es immer irgendwo hin geschafft. Du kannst dir nicht vorstellen, wie kreativ man auf Reisen wird, um seinen ungewöhnlichen Alltag zu meistern. Pläne ändern sich ständig und so gibt man irgendwann auf, weit im Voraus zu planen. Dies hat natürlich auch wieder Vor- und Nachteile, aber alles ist für irgendetwas gut.

Covid-19
Erschreckend war hier und da, wie sehr wir auch zwei Jahre nach Corona noch eingeschränkt waren. Sei es bei Reisebestimmungen oder aber auch bei den Möglichkeiten der Weiterreise. Viele Unternehmen und Verbindungen gibt es noch nicht wieder oder sogar gar nicht mehr, was uns oftmals keine andere Wahl ließ, als immer wieder alles über den Haufen zu werfen und neu zu planen.

Besonders bitter traf es uns in Indonesien, da unser Genesenenstatus dort nicht anerkannt wurde und wir so nicht durchs Land reisen durften. Damit fiel eines unserer Ziele, Bali, komplett flach. Vielleicht hatte aber auch das etwas Gutes. Inzwischen haben wir viele Berichte gesehen, dass Bali aktuell von Touristen förmlich überrannt wird und, wie sollte es anders sein, sich viele von ihnen wie eine offene Hose benehmen. Natürlich sehr zum Ärger der Menschen, die dort leben.
Fußabdruck
Trotz des CO2 Fußabdrucks entscheiden wir uns ganz bewusst für das Reisen. Es ist uns zu wichtig als dass wir darauf verzichten möchten. Wir finden, dass es auch während des Reisens genug Möglichkeiten gibt, auf die Umwelt zu achten und das Thema Nachhaltigkeit in seinen Alltag zu integrieren.

Wie bequem hätten wir viele Orte und Länder einfach mit dem Flugzeug ansteuern können. Trotzdem haben wir immer nach Alternativen wie Bus- oder Zugverbindungen geschaut und diese nach Möglichkeit auch genutzt. Dadurch hatten wir echt viele beschissene Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber auch das gehört für uns zum Reisen dazu und du kannst dir sicher sein, dass du dadurch das eine oder andere Abenteuer erlebst und das Land und die Leute viel authentischer kennenlernst.

In den asiatischen Ländern ist es leider noch heute selbstverständlich, alles in Plastiktüten oder Plastikbechern zu verkaufen. Wie oft wurden wir dort schief angeschaut, wenn wir keine Plastiktüte haben wollten und sämtliche Markteinkäufe in unsere mitgebrachte Stofftasche verstaut haben. Es ist nur ein kleiner Teil, den wir damit beisteuern, den Plastikmüll ein wenig einzudämmen, aber jedes bisschen hilft. Inzwischen merkt man hier und da auch in diesen Regionen eine Veränderung. Teils kosten die Plastiktüten immerhin schon Geld, was viele Menschen zwar nicht wirklich vom Kauf abhält, aber es ist zumindest ein kleiner Anfang.
Danke
Wir sind sehr dankbar für das, was wir alles erleben dürfen. Einzigartige Momente, tolle Begegnungen und Erfahrungen, negative und positive, doch an allen wächst man irgendwie, auch wenn man es häufig erst später merkt. Oft hatten wir sogar das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und das zu 99% völlig unbewusst. Unsere Familien und Freunde geben uns immer Rückendeckung und wir können uns zu 100% auf ihre Unterstützung verlassen. Gleichzeitig haben wir gelernt, uns von manchen Menschen abzuwenden und mehr Wert auf die wenigen echten Freunde zu legen, bei denen die Freundschaft hält, egal auf wie viele tausend Kilometer Entfernung. Wir möchten unsere kostbare Zeit nicht mit Leuten verbringen, die sie nicht verdient haben oder uns ärgern und denken, wir müssen uns Mal wieder melden. Die Gegenseite hätte dies ja mindestens genauso gut machen können. Manchmal merkt man erst später und unter besonderen Umständen, ob es passt oder nicht.

Unsere Welt ist im Wandel, sie ist groß, abwechslungsreich und wahnsinnig vielseitig. Wir möchten noch vieles Neues entdecken und sind jeden Tag froh, diesen Schritt gewagt zu haben. Die Erlebnisse und Erfahrungen werden uns sicher nie wieder los lassen und bereichern unser Leben.
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