Es gibt immer wieder diese Tage, an denen ich richtig Bock habe, mich mit meiner Kamera in das Stadtleben zu stürzen und male mir schon vorher aus, mit welchen tollen Bildern ich nach Hause komme. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das Ganze dann oftmals anderes aus.
Dem Ganzen kannst du aber, zumindest in Teilen, entgegenwirken. Einige Fehler konnte ich in meinem Workflow abstellen, andere mache ich heute noch hin und wieder.
Fehler Nr. 1: Die Erwartungen sind zu hoch
Mit der Überschrift meine ich nicht die Erwartungen an deine eigene Fotografie, sondern die an eine Stadt, an ein Ereignis oder an einer Location. Nehmen wir mal an, du möchtest z.B. nach Berlin reisen und hast vorher im Internet über interessante Foto-Spots recherchiert. Dabei hast du ein paar richtig geile Bilder entdeckt mit einer ausgewogenen Komposition und perfekten Lichtverhältnissen.

Nun kommst du an diesen Ort und statt Sonnenschein, wie auf dem Foto im Internet, ist der Himmel heute wolkenverhangen. Das Foto, so wie du es dir vorgestellt hast, wirst du zumindest heute nicht machen können. Das kann durchaus frustrierend sein und ich habe solche Situationen oft genug erlebt. Sowas geht mir persönlich immer noch auf den Sack und meine Stimmung ist dann schnell im Keller.
Tipp: Nicht aufgeben
Es bringt aber nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Du (und auch ich) musst lernen, Situationen so anzunehmen, wie sie kommen. Wenn das Wetter schlecht ist, kannst du stattdessen versuchen, die Location neu zu interpretieren. Das ist natürlich nicht immer ganz einfach und es erfordert schon ein bisschen Geschick und Durchhaltevermögen. Gleichzeitig ist es aber auch die Chance, dich von anderen Fotografen abzuheben, die einen Spot vielleicht auch schon “totfotografiert” haben.
Fehler Nr. 2: Alles am ersten Tag fotografieren
Wenn ich in eine neue Stadt komme, in der ich zuvor noch nicht war, habe ich oftmals mit der Reizüberflutung zu kämpfen. Alles ist neu und interessant. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll und ich muss aufpassen, nicht hysterisch mit der Kamera in der Hand herumzufuchteln. Naja, so krass ist es dann doch nicht. Aber ich habe festgestellt, dass es sehr hilfreich ist, erstmal “anzukommen” und den Ort für 1-2 Tage auf mich wirken zu lassen.

Tipp: Lass die Kamera in der Tasche, oder doch nicht
Es gibt genug Fotografen, die beim ersten Erkunden der Stadt, die Kamera sogar komplett in der Tasche lassen. Das wäre mir persönlich allerdings zu riskant, weil ich mich ärgern würde, wenn mir dadurch ein gutes Bild durch die Lappen gehen würde. Es ist schwer hier einen guten Tipp zu geben. Letztendlich musst du für dich selbst entscheiden, ob du masochistisch genug bist, die Kamera nicht mit rauszunehmen.
Fehler Nr. 3: Zu sehr anderen Fotografen nacheifern
Als ich die Street Photography für mich entdeckt habe, fuhr ich total auf die Fotos von Thomas Leuthard ab. Ich habe alles aufgesaugt, was er gepostet oder gesagt hat. Er hat hauptsächlich Schwarz-Weiß fotografiert, also war für mich damals klar, das muss ich auch so machen, denn nur Schwarz-Weiß-Fotografie ist wahre Street Photography. Bullshit! Heute weiß ich, dass dem absolut nicht so ist und meine Fotografie hat sich fast ausschließlich zur Farbfotografie entwickelt. Und wenn jemand behauptet, dass croppen (zuschneiden) von Fotos wäre nicht erlaubt, dann stimmt auch das nicht. Natürlich wäre es perfekt, wenn du die Bildkomposition so hinbekommst, dass du keine digitale Schere mehr ansetzen musst, aber das ist in der Praxis oft nicht der Fall.

Tipp: Finde deinen eigenen Stil
Es ist wichtig, dass du Vorbilder und Fotografen hast, von denen du dir einige Skills abschauen kannst. Aber es ist auch wichtig, dass du deinen eigenen fotografischen Weg gehst. Entdecke das Genre für dich und finde heraus, ob du lieber Reflexionen, Menschen, Architektur oder was auch immer fotografieren möchtest. Und vor allem, nimm dir Zeit dafür. Es kann durchaus ein paar Jahre dauern, bis du dein persönliches Steckenpferd gefunden hast. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. 😉
Fehler Nr. 4: Teal and Orange
Zugegeben, das war jetzt etwas provokant. Was urprünglich aus dem Film kam, hat sich in den letzten Jahren auch bei Fotografen immer größerer Beliebtheit erfreut. Die Rede ist vom Teal and Orange Look, der gefühlt über jedes 3. Street Photo gebügelt wird. Ich möchte hier gar nicht abstreiten, dass ich den Look nicht auch hier und da angewendet habe. In der letzten Zeit nahm es meiner Meinung nach aber wirklich überhand damit und teilweise wurden damit, in meinen Augen, auch gute Bilder “verschlimmbessert”.

Tipp:
Allgemein solltest du beim Editieren deiner Bilder darauf achten, es nicht zu bunt zu treiben. Ich will dir hier jetzt nicht sagen, was du zu tun oder zu lassen hast, letztendlich sind es ja deine Fotos. Aber ich bin der Ansicht, dass zu krasses Editing von der eigentlichen Bildaussage ablenken kann. Ich gebe aber auch zu, dass ich mich selbst oft genug in irgendwelchen Presets verrant habe und das Bild damit vielleicht sogar ruiniert habe. Glücklicherweise ist sowas aber ja in der digitalen Dunkelkammer leicht zu beheben.
Fehler Nr. 5: Die Angst, auf der Straße zu fotografieren
Nach so viel Mist wäre es wahrscheinlich am einfachsten, die Kamera einfach wegzulegen und sich ein neues Hobby zu suchen. Um dem Ganzen die Krone auf den Kopf zu setzen, kommt noch die Angst dazu. Die Angst, auf der Straße einfach fremde Menschen ohne deren Einwilligung zu fotografieren. Nicht nur die gesetzliche Grauzone, auch die eigene Courage macht mir oft genug einen Strich durch die Rechnung. Mir sind schon einige gute Motive flöten gegangen, weil ich im richtigen Moment keine Eier in der Hose hatte. Diesem inneren Schweinehund begegne ich leider immer wieder und vermutlich wird sich das auch nie ganz abstellen lassen.

Tipp: Schließe Freundschaft mit deiner Angst
Wie schon gesagt, wird sich die Angst vor den Reaktionen deines Gegenübers wahrscheinlich nie ganz abstellen lassen. Also musst du versuchen, mit ihr zu leben. Bis auf wenige Ausnahmen wurde ich auch noch nicht angesprochen. Handgreiflich wurde bis jetzt auch noch niemand. Theoretisch könnte man sogar sagen, die Angst sei unberechtigt. Soweit würde ich dann allerdings doch nicht gehen, denn in manchen Fällen schützt sie dich auch. Wenn dir in einer Situation ein zu mulmiges Gefühl kommt, dann verzichte lieber auf die Aufnahme und sei einfach mit deinem Gewissen im Reinen. Denn das Wichtigste an der ganzen Sache ist doch der Spaß und der sollte definitiv nicht von der Angst dominiert werden.
Fehler Nr. 6: Zu viele Objektive mitnehmen
Zugegeben, ein Luxusproblem. Je mehr Objektive man hat, desto schwerer tut man sich bei der Auswahl der richtigen Linse. Oft genug stand ich schon vorm Kamera-Schrank und konnte mich einfach nicht entscheiden, welche “Scherben” ich in die Fototasche packen soll. Das Problem an der Sache ist, dass ich dann unterwegs andauernd damit beschäftigt bin, die Objektive zu wechseln, was auf lange Sicht nicht zufriedenstellend ist.
Tipp: “Working the scene”
Was ich damit sagen möchte ist, dass du dich im Idealfall auf 1-2 Linsen reduzierst. Dabei ist es egal, ob du mit Zooms oder mit Festbrennweiten arbeitest. Entscheide für dich, welches Objektiv für dich am besten funktioniert und lerne, dich an dein Foto (die Szene) heranzuarbeiten. Wenn nötig, tritt einen Schritt näher an dein Sujet (Motiv) oder auch einen zurück. Das gilt besonders bei Festbrennweiten, denn in dem Fall sind deine Füße dein “Zoom”.

Eine weitere Möglichkeit wäre, eine Kamera ohne Wechselobjektiv zu nehmen. So kommst du gar nicht erst in die Situation, dass du eine Linse wählen kannst, sondern musst das nehmen, was der Kamerahersteller dir aufgetischt hat.
Nicht gleich alles hinwerfen

In der Regel ist niemand besonders Stolz darauf, Fehler zu machen und noch weniger, sich diese einzugestehen. Auf der anderen Seite ist die Selbsterkenntnis aber der erste Schritt zur Besserung. Deshalb habe ich in diesem Artikel bewusst auch meine eigenen Fehler angesprochen. Einige konnte ich weitestgehend abstellen, andere mache ich leider immer noch. Wichtig ist, einfach immer am Ball zu bleiben und weiter an sich zu arbeiten.
Super Artikel mit praktischen Tipps! Man merkt das du in den Bereichen selbst Erfahrung sammeln konntest. Danke Dennis!
Vielen Dank für dein Feedback. Ja, ich habe schon ein paar Erfahrungen sammeln “dürfen”. 😀